„In Klingasporn werds Lager aufgelöst, ma ko sich des Zeich dort einfach hulln!“ Die Kunde lief durchs Land. So liefen auch wir Kinder hin. Mit Handwagen, wie andere auch. Was es da alles gab! Stoffe, Socken, Mützen, Wäsche, Decken, Filzstiefel. Gerüchte gingen um: „Die Amerikaner kumma“. Ein Kübelwagen (ein schwimmfähiges deutsches Militärfahrzeug) sauste draußen hin und her. Und immer wieder mal ein feindliches Jagdflugzeug in der Luft. Man warnte uns: „Gett in Deckung, die schießen auf eich!. Wir nehmen ein paar Sachen, auch ein Paar Filzstiefel und eilen nach Hause. Das war Ende April 1945.
Am nächsten Morgen hängen überall weiße Betttücher aus den Fenstern. Die Mutter erklärt: „Doumit zeijng mer, daß mer uns ergeijm. Nouchert tun uns die Amerikaner nex“. Und da kommen sie schon: Laster und Panzer rumpeln auf der Dorfstraße daher, ihre Geschütze drohend auf die Häuser gerichtet. Unser Haus vibriert. Ängstlich aber auch neugierig lugen wir hinaus. Plötzlich bleibt der Zug stehen. Männer in fremder Uniform, schwarze Soldaten. Sie steigen lachend aus, formen mit Gesten, was sie möchten. Die Mutter zeigt ihnen ein Ei. Lebhaft nicken sie, kommen an die Haustür. Mutter gibt ihnen ihre wohl letzten Eier. Brot? Sie schütteln den Kopf, nehmen im Hof von unserem Brennholz ein paar Scheite, machen ein Feuer. Mutter gibt ihnen ihre Pfanne. Lächeln nicken sie uns zu, machen Spiegeleier, essen sie, geben uns Kindern die Pfanne zurück. Einer greift in die Tasche und gibt uns ein paar Streifen Chewing gum. Ich weiß noch, wie ich mich wunderte. Das sollen Feinde sein?
Bald danach war der Krieg zu Ende. Wir trauten uns wieder hinaus. Auf einer Wiese entdeckten wir den zerschossenen Kübelwagen. Die beiden gefallenen deutschen Soldaten wurden auf dem Dorffriedhof bestattet. Später bekamen sie ein Grab auf einem Soldatenfriedhof.
Nun sah man Kinder mit neuen Hemden und neuen Hosen. Manches Mädchen trug ein rotes Jäckchen mit weiß-schwarzen Applikationen. Das war einmal eine deutsche Fahne. „Heijma, dreijm, hinten, vorn, alles stammt vo Klingasporn!“ Den Satz hörte man öfter. Spöttisch oder stolz, je nachdem. Denn wer eine Mutter hatte, die sich aufs Nähen verstand, war gut dran. Unsere gehörte dazu. Sie hat uns – auch ein paar Nachbarskinder – neu eingekleidet. Sah doch mancher Bub schon lustig aus, wenn Jacke und Hose aus den Nähten zu platzten drohten. Und die Filzstiefel! Sie hatten eine dicke Sohle, waren unverwüstlich.
Ach ja. Manche hatten ihre Klingensporner Sachen, bei einem Färber in Naila dunkelblau oder schwarz färben lassen. Der hatte zu tun. Gab es doch in jener Zeit viele Frauen und Mütter, die Schwarz trugen. Auch manch anderes buntes Kleidungsstück wurde schwarz. „Daß mer die abgenutztn Stelln nit su sieht“.